Mit künstlichem Gewebe biohybride Robotik antreiben
Eine dünne Zellschicht, das Epithel, bedeckt sowohl innen als auch außen jede Oberfläche unseres Körpers. Beispiele für Epithelgewebe sind die äußere Schicht unserer Haut (die Epidermis), die Auskleidung unserer Bauchhöhle und unsere Schweißdrüsen. „Ein gutes Beispiel ist die Schleimhaut unseres Darms, die Nährstoffe und Flüssigkeit aufnehmen muss“, sagt Xavier Trepat(öffnet in neuem Fenster) vom Institute for Bioengineering of Catalonia(öffnet in neuem Fenster) in Spanien, der Koordinator des Projekts EpiFold ist. „Epithelgewebe wirkt wie eine Barriere, ist aber darüber hinaus hochspezifisch und hochfunktional.“ Diese Funktionalität wird durch die dreidimensionale (3D) Form des Gewebes bestimmt. Weitgehend unbekannt ist jedoch, wie Prozesse wie Verformung, Wachstum und Umbau in Kombination zusammenwirken, um funktionelle 3D-Strukturen zu erschaffen. Das Team des vom Europäischen Forschungsrat(öffnet in neuem Fenster) unterstützten Projekts EpiFold hat sich mit diesem Thema befasst. Darüber hinaus plante das Projektteam, durch Aufdeckung der Prozesse, die die Form und die Mechanik des Epithelgewebes modulieren, außerdem die Tür zur Schaffung von biohybriden Robotern der nächsten Generation zu öffnen. Diese könnten eines Tages auch in Bereichen wie der Gesundheitsversorgung Anwendung finden.
Das Verhalten von Epithelgewebe verstehen
„Wir begannen mit der Entwicklung von Technologien zum Messen und Manipulieren der Mechanik dieser Schichten“, erklärt Trepat. „Wir verfolgten das Ziel, das Verhalten von Epithelgewebe, insbesondere in der Darmschleimhaut, besser zu verstehen.“ Zu diesem Zweck wurden Organoide, aus Stammzellen gewonnene 3D-Gewebekulturen, verwendet, um zu untersuchen, auf welche Weise Epithelien dreidimensionale Formen annehmen. Modernste Technologien aus den Bereichen Mikromusterung, Mikrofluidik, Optogenetik und Maschinenbau kamen zum Einsatz, um das Verhalten von Epithelgewebe besser zu verstehen. „Außerdem wollten wir sehen, ob wir diese dynamischen Zellen zum Bau technischer Komponenten nutzen können“, fügt Trepat hinzu. „Zellen verfügen über Eigenschaften, die träge Materialien nicht aufweisen, zum Beispiel Selbstreparatur und Selbstversorgung.“
Teilung, Migration und veränderte physiologische Funktion
Das Projektteam war in der Lage, völlig neue Technologien zur Messung des Verhaltens dieser Zellen zu entwickeln. „Der Darm befindet sich in einem ständigen Zustand der Selbsterneuerung“, erklärt Trepat. „Die gesamte Oberfläche unseres Darms wird jede Woche erneuert, dank der Zellen, die sich teilen und wandern, ihre physiologische Funktion verändern und schließlich absterben. Es ist ein sehr dynamisches Umfeld.“ Die Arbeit des Projekts EpiFold wirft ein neues Licht darauf, wie dieser Prozess genau funktioniert und wie sich die Oberfläche unseres Darms selbst erneuert. „Wir verstehen jetzt die beteiligten physikalischen Kräfte besser“, merkt Trepat an. „Wir können diese Prozesse in vitro sichtbar machen, wobei wir unser Organoid mit unseren Messtechnologien kombinieren.“ Organoidexperimente haben zudem ergeben, dass das Wiederauftreten von Metastasen bei Dickdarmkrebs(öffnet in neuem Fenster) von restlichen Zellen des Typs EMP1+ im Epithelgewebe herrührt. Diese Aussage stützt sich auf Forschungsergebnisse, die andeuten, dass Tumore die Funktionen von Nichtkrebszellen in ihrer Mikroumgebung ausnutzen, um einzudringen und Metastasen zu bilden. „Der Darm stand im Mittelpunkt des Projekts“, sagt Trepat. „Es gibt jedoch noch viele weitere Gewebe, zum Beispiel Lunge, Brust und Haut, in denen unsere Technologien zum Einsatz kommen können.“
Zellen in Materialbausteine umwandeln
Das Team des Projekts EpiFold, das im Dezember 2025 fertiggestellt werden soll, wird sich nun auf den ehrgeizigsten Teil der Arbeit konzentrieren: die Umwandlung von Zellen in Bausteine von Materialien. „Wir wissen, dass dies sehr schwierig sein wird, aber wir haben bereits damit begonnen, es zu versuchen“, berichtet Trepat. „Wir können kleine Kanäle aus Zellen herstellen und versuchen, zelluläre Pumpen zu erzeugen.“ Der Reiz der Nutzung von Zellen liegt darin, dass sie lebendig sind. Die Anwendungen könnten daher so gestaltet werden, dass sie sich selbst mit Energie versorgen und selbst heilen und Funktionen ausüben, die anderweitig nur schwer aus inertem Material herstellbar wären. Mögliche Endanwendungen könnten in der Wirkstoffverabreichung und in der Chirurgie liegen, wo verformbare Materialien sehr nützlich wären. „Es handelt sich um risikoreiche Forschung, und es ist noch nicht klar, zu welchen konkreten Zwecken diese Technologie dienen könnte“, fügt Trepat hinzu. „Diese Arbeit wird einige Zeit in Anspruch nehmen, da wir noch sehr viel über das Verhalten dieser zellulären Systeme lernen müssen.“
Schlüsselbegriffe
EpiFold, biohybrid, Robotik, epithelial, Gesundheit, Darm, Krebs, Gesundheitsversorgung