Schutz der Gesundheit von Föten mit innovativen chemischen Tests
Endokrine Disruptoren sind chemische Stoffe, die sich negativ auf das Hormonsystem auswirken können, indem Hormone imitiert oder deren normale Funktion blockiert wird. Sie kommen meist in Kunststoffen, Pestiziden und Flammschutzmitteln vor, gelangen in die Umwelt und Nahrungskette und sammeln sich im menschlichen Körper an. Ein wichtiger Forschungsbereich sind dabei die Auswirkungen von endokrinen Disruptoren auf die hormonbedingte Entwicklung in utero sowie in anfälligen Phasen wie der neonatalen Entwicklung.
Chemische Stoffe mit endokriner Wirkung
Dieser Bereich war Gegenstand im EU-finanzierten Projekt ATHENA(öffnet in neuem Fenster), wobei ein besonderer Fokus auf der Produktion und lokalen Ausschüttung von Schilddrüsenhormonen lag. Diese sind entscheidend für den Stoffwechsel und das Wachstum sowie weitere Funktionen. In den ersten Wochen der Schwangerschaft kann der Fötus keine Schilddrüsenhormone produzieren und ist auf die Mutter angewiesen. Endokrine Disruptoren im System der Mutter können bekanntermaßen die Menge an Schilddrüsenhormonen reduzieren, sodass sich die Werte ändern, die beim Fötus ankommen. „Die Abgabe von Schilddrüsenhormonen der Mutter an das fötale Gehirn über die Plazentaschranke ist überlebenswichtig, besonders im ersten Trimester“, sagt das ATHENA-Projektmitglied Martin Scholze von der Brunel Universität(öffnet in neuem Fenster) im Vereinigten Königreich. „Eine Störung dieses Prozesses durch endokrine Disruptoren kann zu irreversiblen Mängeln im Erwachsenenleben führen.“ Über die molekularen Mechanismen und funktionellen Proteinkomponenten, die an diesem Prozess beteiligt sind, gibt es noch Wissenslücken. Diese Wissenslücken sollten im Projekt ATHENA durch die Entwicklung neuer Versuchsmodelle und Testmethoden geschlossen werden. „Wir haben einen kombinierten Ansatz mit Methoden in silico, in vitro und ex vivo an Tieren sowie auf der Grundlage menschlicher Epidemiologie entwickelt“, erklärt das ATHENA-Projektmitglied Josef Köhrle von der Charité Universitätsmedizin(öffnet in neuem Fenster) Berlin, Deutschland. „Die Ansätze wurden validiert und eingesetzt, um relevante Expositionsszenarien mit endokrinen Disruptoren zu bestimmen.“ Mit dieser Arbeit konnte das Team mögliche neue Methoden finden, um chemische Stoffe mit endokriner Wirkung zu bestimmen, die sich negativ auf Schilddrüsensysteme in der Entwicklung auswirken können.
Mehrstufige Teststrategie zur Identifizierung von endokrinen Disruptoren
Im Projekt wurden wichtige Fortschritte bei der Erkennung von für Menschen relevante Expositionsszenarien verzeichnet. Der Fokus lag speziell auf der Gesundheit der Mutter und des Fötus bezüglich Schilddrüsenhormone in der Schwangerschaft. Das Team hat eine mehrstufige Teststrategie zur Erkennung von endokrinen Disruptoren entwickelt und vorgeschlagen, die sich auf das Schilddrüsenhormon der Mutter und des Fötus während der Entwicklung auswirken. Zudem wurden quantitative Struktur-Wirkungs-Beziehungen (QSAR) – mathematische Modelle, mit denen die biologischen Merkmale von Verbindungen anhand der chemischen Struktur vorhergesagt werden – für das Screening von großen Sammlungen an Verbindungen entwickelt. „Wir konnten auch nachweisen, dass Amitrol, ein noch immer in der Umwelt vorkommendes Pestizid, ein endokriner Disruptor ist, der bei Ratten nach Exposition in der Schwangerschaft und Laktation zu Fehlbildungen der Hirnstruktur und Verhaltensstörungen bei Nachkommen führen kann“, ergänzt Köhrle.
Potenzielle endokrine Disruptoren vorhersagen und erkennen
Mit den Methoden und Verfahren aus ATHENA – sowie den gewonnenen Erkenntnissen – können standardisierte Tests zur Vorhersage und Erkennung potenzieller endokriner Disruptoren erstellt werden, die sich während der Schwangerschaft auf das Schilddrüsensystem auswirken können. „Die Testmethoden werden jetzt mit dem Ziel der Zulassung weiterentwickelt“, so Scholze. Aus den Daten gehen auch neue Erkenntnisse zur fötalen Hirnentwicklung bei vielen Wirbeltierarten hervor, die von Schilddrüsenhormonen und im Kern alle von einer angemessenen lokalen Versorgung abhängig sind. Mit diesen Erkenntnissen konnten die Folgen eines Mangels an Schilddrüsenhormonen der Mutter aufgrund von endokrinen Disruptoren für die Entwicklung des Gehirns aufgezeigt werden.
Schlüsselbegriffe
ATHENA, Chemikalien, endokrine Disruptoren, Fötus, Schwangerschaft, Gesundheit